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Steinmeier fordert weiteres Bemühen um Regierungsbildung
20. November 2017
Die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition sind gescheitert. Der Bundespräsident appelliert an alle Parteien, gesprächsbereit zu bleiben. Neuwahlen sind jedoch nicht ausgeschlossen.
Berlin (epd). Rund acht Wochen nach der Bundestagswahl ist noch keine neue Regierungsmehrheit in Sicht. Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen Union, FDP und Grünen appellierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag an die Parteien, weiter über eine Regierungsbildung zu verhandeln. Er erwarte von allen Gesprächsbereitschaft, um diese in absehbarer Zeit möglich zu machen, sagte Steinmeier in Berlin. Die wochenlangen Sondierungen für eine Jamaika-Koalition waren in der Nacht zum Montag von der FDP abgebrochen worden.
Dies sei der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten, sagte Steinmeier. Der Auftrag der Wähler, eine Regierung zu bilden, bleibe. Es sei eine "Verantwortung, die man nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben kann", mahnte der Bundespräsident nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Schloss Bellevue.
Steinmeier will mit Parteivertretern sprechen
Er werde Gespräche mit Vertretern von Union, FDP und Grünen sowie mit Vertretern von Parteien, bei denen "programmatische Schnittmengen" nicht ausgeschlossen seien, führen, kündigte Steinmeier an. Rechnerisch hätte auch eine erneute große Koalition aus Union und SPD im Bundestag eine Mehrheit.
Der Bundespräsident kann im Falle einer gescheiterten Regierungsbildung nach Artikel 63 Grundgesetz den Bundestag auflösen und damit Neuwahlen möglich machen. Den Zeitpunkt sieht Steinmeier aber noch nicht gekommen. Er appellierte an die Parteien, das Gemeinwohl im Blick zu behalten. Der Auftrag, eine Regierung zu bilden, gehe "weit über die eigenen Interessen hinaus" und gelte nicht nur gegenüber Wählern der eigenen Partei, betonte Steinmeier.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, unterstützte Steinmeiers Appell und forderte eine rasche Regierungsbildung. "Ich hoffe und bete, dass die Politik in Berlin sich ihrer Verantwortung bewusst ist und alles dafür tut, möglichst bald eine am Gemeinwohl orientierte Regierung auf den Weg zu bringen", sagte Marx auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Dazu müssen alle Anstrengungen unternommen werden", unterstrich Marx.
Bruch in der politischen Kultur
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, rief CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne auf, ihrer demokratischen Verantwortung gerecht zu werden und weiterhin ernsthaft nach Wegen zu einer stabilen Regierungsmehrheit zu suchen. "Sie tragen hier eine gemeinsame staatspolitische Verantwortung", erklärte Sternberg. Er äußerte sich auch mit Blick auf den hohen Stimmenanteil der rechtspopulistischen AfD.
Der Zeithistoriker Paul Nolte bezeichnete das Scheitern der Sondierungsgespräche als einen Bruch in der politischen Kultur des Landes. "Bisher sind Verhandlungen so geführt worden, dass sie auch zu einer Regierungsbildung geführt haben", sagte der Wissenschaftler, der an der Freien Universität Berlin lehrt, dem epd. Die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sei signifikant. Mit ihrer Entscheidung habe sich die FDP der Verantwortung entzogen und zugleich keine Zusage für andere Regierungsbeteiligungen gemacht.
SPD scheut Neuwahlen nicht
Auch für den Sozialethiker Peter Dabrock sind die gescheiterten Gespräche "besorgniserregend". "Leider ist es der politischen Klasse, die einen Verantwortungsauftrag gegenüber dem Land hat, nicht gelungen, deutlich zu machen, dass es am Ende um das Gemeinwohl gehen muss", sagte Dabrock, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrats ist, dem epd. Er warnte die Parteien vor einer Blockadehaltung.
Bundespräsident Steinmeier mahnte, das Land stehe vor einer Situation, "die es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat". Innerhalb und außerhalb Deutschlands wäre das Unverständnis groß, kämen die politischen Kräfte ihrer Verantwortung nicht nach. Steinmeier will auch mit den Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht über die aktuelle Lage sprechen.
Die SPD sprach sich unterdessen erneut gegen eine Beteiligung in einer großen Koalition aus. Zudem bekräftigten die Sozialdemokraten, dass sie Neuwahlen nicht scheuten. Auch Grüne und Linke machten deutlich, dass sie mit Neuwahlen rechnen.
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Leser-Kommentare öffnen
Paperback, 20. November 2017, 22:00 Uhr
Besonders jene Dame, die auch in unserer Kirche eine Rolle spielt, gab eher die „Kindergarten-Tante“ denn eine ernstzunehmende Politikerin, der man vielleicht sogar noch ein hohes politisches Amt zutrauen würde.
Gerade sie machte nicht zum ersten Male den Eindruck, als stünde ihr das Wohl von Migranten und die Migrantenfrage über den auch berechtigten Interessen der heimischen Bevölkerung, den eigenen Wählern.
Das wirkte fatal. Die Migrantenfrage, ja auch die Migranten sind ein wichtiges Thema, aber – und das werfe ich auch der Kanzlerin vor- über lange Phasen vermittelte man uns den Eindruck, als hätten alle anderen dahinter zurückzutreten.
Auch unter einheimischen Deutschen gibt es Benachteiligte, gibt es Kinder, die nicht zu ihrem Recht kommen, werden Behinderte benachteiligt, Senioren, die Not leiden.
Um die aber ging es den Grünen offenbar nicht. Ich habe mir die Hände gerieben, und ich bin heilfroh, dass uns solche seltsame Interessenwahrnehmung erspart bleibt.
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Atlantica, 21. November 2017, 12:13 Uhr
Katrin G.-E. ist sicherlich mehr als eine "Kindergarten-Tante". Und wenn sie nicht auf den Tisch haut, spricht das doch eher für sie. Realpolitik kann man lernen. Keine Partei geht übrigens so unbefangen mit Behinderten um wie die Grünen. Aber ich will hier (hoffentlich...) keine neuerliche Wahlwerbung machen!
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Schallblech, 21. November 2017, 15:47 Uhr
Atlantica, 21. November 2017, 16:00 Uhr
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Alwite, 24. November 2017, 13:16 Uhr
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Paperback, 4. Dezember 2017, 14:49 Uhr
Ich sehe, und das muss ich hier nicht ständig wiederholen, dass die Politik derer, denen Du gerade einen Heiligenschein umhängen willst, das Erstarken der AFD erst möglich gemacht hat. Dazu gehört für mich auch die Begrenzung der Frage nach sozialer Integration auf die Flüchtlingsfrage.
Schon lange vor der Flut der Migranten gab es ungelöste und zugleich offen wahrnehmbare soziale Spannungen, fühlten sich Menschen nicht wahrgenommen. Das hat man ignoriert, und jetzt fällt der Politik die eigene Ignoranz auf die Füße.
Dekliniere doch einfach mal durch, was die Forderungen der Grünen für einen Durchschnittshaushalt an Mehrkosten bedeuten würde: Strom, Heizung, Benzin würden deutlich teurer, die Ernährung mit Sicherheit auch. Und wer wäre davon betroffen: Alle diejenigen, die schon lange am Rande stehen. Aber auf diese Menschen kommt es Euch ja auch nicht an.
Das ist zum Fremdschämen.
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