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Lübecker Altbischof Wilckens war Mitglied der Waffen-SS
3. Januar 2020
In seiner Autobiografie offenbart der evangelische Theologe Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Im Januar 1945 wurde er zum Einsatz einberufen und von einem Panzer überrollt. Er überlebte und beschloss danach, Theologie zu studieren.
Hamburg (epd). Der frühere Lübecker Bischof Ulrich Wilckens war als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS. Das hat der 91-jährige evangelische Theologe in seiner Autobiografie "Warum ich Christ wurde" eingeräumt, die Ende 2019 erschienen ist. Weil er eine jüdische Urgroßmutter hat, hätte er nach der NS-Ideologie gar nicht aufgenommen werden dürfen, schreibt er. Darüber hinaus äußert er Zweifel, ob er überhaupt regulär getauft worden sei.
Wilckens stammt nach eigener Beschreibung aus einem religionsfernen Elternhaus. Sein Vater war Arzt in Hamburg und habe Religion abgelehnt. Er habe zwar zugelassen, dass die Kinder getauft wurden - allerdings zu Hause durch einen befreundeten Pastor. "Ob der diese Taufen überhaupt nach dem christlichen Ritus der Kirche vollzogen hat, habe ich später nie herausbekommen", schreibt Wilckens.
Wilckens Vater war frühes Parteimitglied der NSDAP und begeisterter Hitler-Anhänger. Wilckens selbst wurde als Schüler Mitglied der Hitler-Jugend. Als der Vater als Militärarzt eingezogen wurde, zog die Familie 1941 aus dem unsicheren Hamburg in den Schwarzwald nach Hinterzarten.
Als 15-Jähriger bei der Waffen-SS angemeldet
Anders als der junge Wilckens seien seine Mitschüler in Hinterzarten eher regimekritisch gewesen. "Bald stellte sich heraus, dass ich als einziger Mitschüler Hitler verehrte", erinnert sich Wilckens. 1943 habe er sich als 15-jähriger Schüler nach dem Vortrag eines SS-Offiziers bei der Waffen-SS angemeldet. Er habe unterschrieben, um "meinem Vater einen Gefallen zu tun und zugleich die Ehre meiner Schule zu retten". Mit einer jüdischen Urgroßmutter hätte er allerdings gar nicht eintreten dürfen, schreibt er. Sein Bruder sei deshalb 1944 von der Musikhochschule Berlin ausgeschlossen worden.
Bei einer "militärischen Vorübung" 1944 sei es zum "inneren Bruch mit der SS" gekommen. Die Liedzeile "Wenn das Judenblut vom Messer spritzt..." habe er nicht mitsingen können. Im Januar 1945 wurde er zur Waffen-SS nach München einberufen. Bei einem Kampfeinsatz wurde er von einem Panzer im Schützengraben überrollt, überlebte aber unverletzt. Dieses Wunder war für den späteren Bischof ein Bekehrungserlebnis. Kurz darauf beschloss er, evangelische Theologie zu studieren, schreibt Wilckens.
Er zählt zum konservativen Flügel
Nach Stationen an den Universitäten Heidelberg, Marburg und Berlin wurde Wilckens 1968 Theologie-Professor in Hamburg. Seine Übersetzung des Neuen Testaments war ein Bestseller. 1981 wurde er zum Lübecker Bischof gewählt. Bekannt wurde er unter anderem durch seine Predigt bei der Trauerfeier für Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) im Oktober 1987, der zuvor tot in einem Genfer Hotel aufgefunden worden war. Es habe eine "knisternde Spannung" in der Luft gelegen, doch er habe die politischen Aspekte nicht ausblenden wollen. Zur Absicherung habe er seine Predigt vorher den beiden Parteivorsitzenden Heiko Hoffmann (CDU) und Björn Engholm (SPD) vorgelegt.
Gegen Ende seiner Amtszeit erkrankte er an Bauchspeichendrüsen-Krebs. Nach einer achtstündigen Operation hätten ihm die Ärzte maximal noch ein Jahr Lebenszeit gegeben, schreibt er. Dass er trotzdem geheilt wurde, sei für ihn das zweite Wunder seines Lebens.
Wilckens lebt heute in Lübeck. Er zählt zum konservativen Flügel der Nordkirche und meldet sich bisweilen zu Abtreibung und Homo-Ehe kritisch zu Wort.
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Leser-Kommentare öffnen
ellybe, 3. Januar 2020, 18:16 Uhr
So aber kann man nachträglich einfach nur "völlig platt" sein und/oder seine oben angeführten kritischen Wortmeldungen auf eben seine so "unrühmliche" Vergangenheit zurückführen, im Sinne von "daher weht also der Wind"...
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Alwite, 4. Januar 2020, 14:56 Uhr
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Pierre Viret, 16. Januar 2020, 8:31 Uhr
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Alwite, 16. Januar 2020, 9:37 Uhr
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ellybe, 16. Januar 2020, 10:47 Uhr
Übrigens:
In meiner Schulzeit nach dem 2. Weltkrieg haben wir ganz selbstverständlich und mit innerer Überzeugung an Demonstrationen gegen die Drei-Teilung Deutschland teilgenommen, unter der Überschrift "Dreigeteilt - niemals!" Und auf Großveranstaltungen der Oberschlesier oder Ostpreußen hat der SPD-Oberbürgermeister unserer Stadt den Versammelten selbstverständlich das Recht auf (Rückkehr in) ihre Heimat zugestanden! War er und waren wir deshalb rechtsradikal? Müsste auch er (wenn er noch lebte) und müssen wir dafür öffentlich Abbitte leisten?
Alwite, 17. Januar 2020, 3:48 Uhr
ellybe, 17. Januar 2020, 9:42 Uhr
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