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Rache: Geschichte und Fantasie

Ausstellung

Jens Bayer-Gimm (epd) | 22. März 2022

Jüdisches Museum Frankfurt erzählt von jüdischem Widerstandsgeist

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der Baseballschlaeger, mit dem Donny "Der "Baerenjude” Donowitz (gespielt von Eli Roth) aus Inglorious Basterds, Rache an Nazis nimmt. (Foto: epd-bild/Peter Juelich)

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Zum Begriff der Rache hat das Jüdische Museum Frankfurt am Main erstmals eine Ausstellung konzipiert. Der Gang durch die jüdische Kulturgeschichte zeigt antisemitische Fantasien, aber auch den Widerstandsgeist von Juden.

Frankfurt a.M. (epd). Ein abgedunkelter Raum, Lichtblitze zucken, bedrohliche Klänge, ein sausendes Geräusch. In der Mitte steht einzig ein Baseballschläger. Namen in lateinischer und hebräischer Schrift sind darauf geschrieben. Es ist der Schläger von Donny Donowitz aus Quentin Tarantinos Film «Inglourious Basterds» (2009). Jüdische Bewohner Bostons haben darauf die Namen ihrer von den Deutschen mutmaßlich ermordeten europäischen Verwandten geschrieben. Mit dem
Schläger wird Donowitz an einem Wehrmachtsoldaten Rache üben.

   Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main zeigt von Freitag, 18. März bis zum 17. Juli eine Ausstellung über die Rache in der jüdischen Kulturgeschichte. Die Schau «Rache. Geschichte und Fantasie» spanne einen Bogen von biblischen Erzählungen über rabbinische Schriften, judenfeindliche Mythen und jüdische Legenden bis hin zu populärkulturellen Erzählungen, erläuterte die Direktorin Mirjam Wenzel am Donnerstag.

   Die Ausstellung stellt als Beispiele biblischer Rächerfiguren Judith und Samson im Spiegel von Gemälden, Kunstgegenständen und der Populärkultur vor. Wie Judith den assyrischen Heerführer Holofernes enthauptet, zeigt etwa das Gemälde von Jacopo Ligozzi (1547-1627) aus den Uffizien in Florenz in vertrauter Form. Anders sieht es bei dem US-amerikanischen Künstler Kehinde Wiley aus: «Judith und Holofernes»
zeigt eine afroamerikanische Frau, die das abgeschlagene Haupt einer blonden Frau in der Hand hält. Das Werk löste in den USA Kontroversen aus.

   Die Legenden der Figuren Lilith und Golem erfuhren tiefgreifende Wandlungen, wie Bilder, Plakate, Comics und archäologische Stücke zeigen: Galt Lilith im Altertum als bedrohlicher Dämon, so wertete die Frauenbewegung in der Neuzeit sie als Verkörperung weiblichen Selbstbewusstseins um. Stand die Figur des Golems zuerst für die schöpferische Macht gebildeter Rabbiner, wurde daraus in der Populärkultur des 20. Jahrhunderts ein Supermann, der das Böse, insbesondere dessen Inkarnation im Nationalsozialismus, bekämpft.

   Die Schau führt über Exkurse zu jüdischen Piraten, Räuberbanden im 18. und 19. Jahrhundert und Gangstern in den USA der 1930er und 1940er Jahre zu Rächern gegen den NS-Terror. Eine Zigarettenschachel mit einem stichwortartigen Aktionsplan, der Grundriss des Tatorts und ein Foto der Tatwaffe illustrieren einen Mord: David Frankfurter (1909-1982) erschoss 1936 in Davos den Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz, Wilhelm Gustloff. Seine nach dem Krieg geschriebenen Memoiren tragen den Titel «Nakam» (Rache).

   Zielpunkt ist die Station, «die uns mitgenommen hat», wie Direktorin Wenzel einräumt: «Wie viele letzte Worte von Jüdinnen und Juden vor ihrer Ermordung in der Schoah die Aufforderung zu Rache sind.» Zitate hängen auf Tafeln an der Wand, etwa: «Ich wollte und will leben, um den Tod von Papa und Mama zu rächen und meiner geliebten kleinen Schwester Nelli.» Dies schrieb Marcel Nadjari, der als Mitglied des Sonderkommandos im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau die Leichen aus den Gaskammern schaffen musste und überlebte.

   Tatsächlich verübten nur einzelne Juden nach Kriegsende Racheakte an den Tätern. Die Ausstellung erinnert an den Wilnaer Partisanen Abba Kovner (1918-1987) und seine Gruppe «Nakam». Sie scheiterte mit dem Plan, die Trinkwasserversorgung Nürnbergs zu vergiften.

   Die Ausstellung einschließlich des Begleitprogramms komme dem Selbstverständnis vor allem jüngerer Jüdinnen und Juden nach, ihre Geschichte nicht nur als Opfergeschichte zu verstehen, erklärte Direktorin Wenzel. Der Ideengeber der Schau, der Lyriker und Publizist Max Czollek, sagte, junge Jüdinnen und Juden wollten selbstbewusst leben. Eine Begegnung auf Augenhöhe in Deutschland gebe
es aber erst, wenn sich Juden von der Versöhnungserwartung der Nichtjuden befreiten.

Info

Öffnungszeiten: dienstags, mittwochs, freitags, samstags, sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 21 Uhr.

Internet

Informationen zur Ausstellung: http://u.epd.de/2522

Orte

Jüdisches Museum Frankfurt, Bertha-Pappenheim-Platz 1, 60311 Frankfurt am Main

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