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Zwischen Hoffnung und Skepsis
Corona-Impfung
Pat Christ (epd) | 28. Dezember 2020
Die Impfstoffe gegen das Coronavirus wecken Hoffnungen und Ängste zugleich: Die einen sind zuversichtlich, dass sie mit den Mitteln immun werden und die Gesellschaft wieder zurückfindet zu ihrem gewohnten Gang. Andere trauen dem Serum nicht.
Düsseldorf (epd). Die neuen Corona-Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt. Werden sie wirklich wirken? Sind sie sicher? Permanent klingelt bei der Deutschen Gesundheitshilfe in Frankfurt am Main derzeit das Telefon und Patienten melden sich mit solchen Fragen. Eine eindeutige, rundum beruhigende Antwort kann der Geschäftsführer des Vereins, Patrick Heinz, nicht geben. Doch er rät Anrufern, Vertrauen zu haben in die Politik und die Impfstoffhersteller. «Denn bestimmt will niemand, dass es durch die Impfung zu Schäden kommt», sagt er.
Nicht mehr unter Quarantäne gestellt zu werden, weil man «positiv» ist, endlich keine Angst mehr haben zu müssen, dass man krank wird oder als Virusträger andere krank machen kann: Die mit dem Impfstoff verbundenen Hoffnungen sind riesig. Gleichzeitig sinkt allerdings die Impfbereitschaft. Das geht aus Daten des Gemeinschaftsprojekts «Covid-19 Snapshot Monitoring» der Uni Erfurt hervor. Hätten sich im April noch 79 Prozent der Befragten impfen lassen, waren es am 15. September nur noch 56 Prozent. Inzwischen liegt der Wert unter der 50-Prozent-Marke. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen erst in dieser Woche Wissenschaftler aus Heidelberg.
Am Sonntag starten auch in Nordrhein-Westfalen die Impfungen gegen das Coronavirus. Als erstes sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums mobile Impfteams zu Alten- und Pflegeheimen unterwegs, um über 80-jährige Bewohner sowie Pflegepersonal zu impfen. Bis zum Jahresende sollen den Angaben zufolge 280.000 Impfdosen in NRW eintreffen. Im Januar werden zunächst wöchentlich rund 140.000 weitere Impfdosen erwartet.
Sicherheit hat bei der Entwicklung von Impfstoffen einen extrem hohen Stellenwert. In Deutschland ist das im hessischen Langen ansässige Paul-Ehrlich-Institut zuständig für die Zulassung von Impfstoffen. Zum Thema «Sicherheit» erreichten das Institut vor der Impfstoffzulassung laut Pressesprecherin Susanne Stöcker «unzählige
Anfragen». Das Institut reagierte darauf, indem es seine Corona-FAQs um Fragen zur Sicherheit ergänzte.
Trotz massiver Aufklärung besteht die Angst, dass die Impfung ein Pyrrhus-Sieg über das Virus werden könnte - nämlich dann, wenn gravierende Nebenwirkungen auftreten. Der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe teilt diese Ängste. «Kein Corona-Impfstoff hat das reguläre Zulassungsverfahren durchlaufen», sagt der Initiator des 2006 gegründeten Vereins «Ärzte für individuelle Impfentscheidung» mit nach eigener Angabe derzeit 1.300 Ärzten als Mitgliedern.
Impfstoffen könne man in Deutschland trauen, erklärt hingegen das bayerische Gesundheitsministerium: «Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Impfungen sind sehr selten.» Die Anwendung der neuen Corona-Impfstoffe würden «engmaschig überwacht und bewertet, um auch sehr seltene Nebenwirkungen zu erfassen», heißt es.
Trotz solcher beruhigender Worte scheint Skepsis die Oberhand zu gewinnen. Besorgte Patienten schlagen in Apotheken und Arztpraxen auf. «Wir Hausärztinnen und Hausärzte merken seit Wochen in unseren Praxen, wie groß die Verunsicherung ist,», berichtet Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. Durch «gute Argumente» werde versucht, die Impfbereitschaft zu fördern. Zu diesen Argumenten gehört laut Weigeldt, dass die bisherige Studienlage
zeigt: «Der neue Impfstoff ist sicher, und er schützt in einem hohen Maße vor Erkrankung.»
Weigeldt betont, dass sich jeder Patient gegen eine Corona-Impfung entscheiden darf. Auch Impfgegner würden selbstverständlich von den Hausärzten behandelt, sollten sie sich mit dem Virus infizieren. Niemandem dürften die Therapie oder das Beatmungsgerät versagt werden, weil er oder sie sich nicht impfen ließ.
Weil Skepsis und Unsicherheit einer hohen Impfbeteiligung aktuell im Wege stehen, scheint der Ruf nach einer Impfpflicht lauter zu werden. Das sieht die Deutsche Gesundheitshilfe kritisch, so Geschäftsführer Patrick Heinz: «Zumindest nach heutigem Stand brauchen wir dies nicht.» Schließlich tangiert eine Impflicht das
Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.
Internet
Deutsche Gesundheitshilfe: http://u.epd.de/1pua
COVID-19 Snapshot Monitoring der Uni Erfurt: http://u.epd.de/1pu9
FAQs des Paul-Ehrlich-Instituts: http://u.epd.de/1pud
Ärzte für individuelle Impfentscheidung: http://u.epd.de/1puc
Deutscher Hausärzteverband: http://u.epd.de/1pue
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Leser-Kommentare öffnen
Alwite, 29. Dezember 2020, 21:18 Uhr
Selbst habe ich das Impfangebot nach kompetenter, umfangreicher Beratung mit sehr, sehr vielen Anderen zugleich angenommen und mich heute impfen lassen. Schaun wir mal ob ich bis zur zweiten Impfung in drei Wochen noch lebe. Wie sagten die Bremer Stadtmusikanten noch? "Etwas schlimmeres als den Tod werden wir nicht leiden!"
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Schallblech, 30. Dezember 2020, 11:50 Uhr
Ich bin noch nicht dran, aber wenn, dann werde ich hingehen.
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Alwite, 31. Dezember 2020, 22:29 Uhr
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Matthäus53, 1. Januar 2021, 23:07 Uhr
Aber es soll ja auch die Geschichte vom ängstlichen kleinen Spatz geben, daß ist aber eher eine Geschichte a. d. Kindergartenzeit.
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Pierre Viret, 6. Januar 2021, 11:57 Uhr
Selbstverständlich wollen die Impfgegner im gleichen Umfang medizinisch behandelt werden.
Aber wie sagte ein Intensivmediziner über seine Arbeit: "Bei uns hat es noch keine Corona-Leugner gegeben."
Alwite, 8. Januar 2021, 11:02 Uhr
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Matthäus53, 9. Januar 2021, 12:15 Uhr
Wer zu Beginn der 60er Jahre eingeschult wurde bekam den Piks auf den Oberarm, Pockenimpfung. Weiterhin gab es noch die wahrscheinlich auch verpflichtende ( ?) Schluckimpfung ( gegen Kinderlähmung ? ) Diese wurde massenweise , z. B. in Niedersachsen , in den Schulturnhallen verabreicht. Soweit zum Thema Impfpflicht, warum nicht - wenns der Gesundheit und SICHERHEIT eines Volkes oder einer ganzen Generation dient ?
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Schallblech, 11. Januar 2021, 13:04 Uhr
An die Piekse erinnere ich mich. Es wurde nicht mit einer Spritze geimpft, sondern mit einem kleinen Skalpell drei winzige Schnitte gesetzt. Nach ein paar Wochen mußte man zur Kontrolle nochmal antreten. Wenn sich Pöckchen gebildet hatten, war alles gut. Unsere Eltern damals hätten nicht im Traum daran gedacht, die Impfung abzulehnen! Im Gegenteil, sie waren froh, daß wir Kinder geschützt waren.
Als in Meschede 1970 die Pocken eingeschleppt wurden, erkrankten Menschen, die nicht geimpft waren, und einige starben. Weil aber sehtr viele Menschen geimpft waren, konnte sich die Krankheit nicht weiter verbreiten und war schnell vorbei.
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