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Logik reicht nicht
Gott
Von Anke von Legat | 19. September 2017
Menschen teilen die Welt gern in Systeme und Kategorien ein und suchen nach Beweisen. Gott aber passt in kein System. Wie können wir trotzdem wissen, wer er ist?
Der Mensch möchte verstehen. Das Ordnen seiner Welt in erdachten Systemen hilft ihm, sich sicherer durchs Leben zu bewegen – aus Sicht der Evolutionsbiologen ist das ein Vorteil beim Überleben seiner Art.
Das mag ein Grund dafür sein, dass Menschen auch immer wieder versucht haben, Gott mit den Mitteln des Verstandes zu erklären und zu beweisen. Ohne Erfolg, wie man offen zugeben muss.
Dabei bemühten sich Theologen und Philosophen schon in frühen Jahrhunderten, in denen die Menschen die Existenz eines oder mehrerer Götter für selbstverständlich hielten, um einen rationalen Beweis. Für den Philosophen Aristoteles wie auch für die Theologen Anselm von Canterbury oder Thomas von Aquin war die logische Beschäftigung mit der Existenz Gottes gleichbedeutend mit einer höheren Stufe des Glaubens. Dabei war das Vertrauen auf die Macht des eigenen Verstandes ungebrochen: Gott lässt sich mit menschlicher Vernunft erkennen. Davon war man überzeugt.
Kritik an dieser Überzeugung gab es jedoch ebenfalls, und heute finden sich kaum noch Theologen, die Gott für beweisbar halten. Der Glaube an die menschliche Vernunft ist durch die Entdeckung des Unbewussten erschüttert worden. Auch dem moralischen Urteil oder dem Gewissen trauen wir nach den Schrecken des 20. Jahrhunderts nicht mehr allzu viel zu. Und die Hirnforschung lässt uns zunehmend daran zweifeln, dass wir wirklich wissen, was wir wissen. Unsere Gedanken sind nie voraussetzungslos. Wir sind fest eingebunden in ein System aus sinnlicher Wahrnehmung und gedanklicher Verknüpfung, auf das wir keinen Einfluss haben und über das wir nicht hinaus können.
Daraus folgt, dass wir auch Gott nur innerhalb unserer menschlichen Systeme denken können. Selbst wenn wir sagen: Er ist mehr als ..., größer als ..., gütiger als ..., können wir nicht anders, als unsere menschlichen Kategorien anzuwenden. Damit aber lässt Gott sich weder erfassen noch beweisen.
Aber ist das so schlimm? Verlieren wir etwas dadurch, dass wir ihn nicht beweisen können? Oder umgekehrt gefragt: Wird Gott wirklicher dadurch, dass wir ihn mit Mitteln des Verstandes erfassen und ihn in ein logisches System zwängen?
Die Antwort kann nur heißen: Nein. Seine Größe und Allmacht besteht ja gerade darin, dass er die Grenzen unseres Denkens sprengt und alles übersteigt, was wir uns vorstellen können. Seine Liebe aber besteht darin, dass er sich uns Menschen zuwendet und sich so zeigt, dass wir ihn trotzdem erkennen und erleben können.
Diesen Widerspruch müssen wir aushalten, wenn wir Gott denken. Dabei haben die Bemühungen des Verstandes durchaus ihren Wert – wie auch die des Herzens. Die Vernunft hilft uns, zu forschen und zu fragen, was wir wissen können und was nicht. Das Herz macht uns sensibel für Gottes Spuren und für die Not des Nächsten. Beides zusammen nährt das Vertrauen, dass wir gehalten sind und geliebt von einem Gott, der größer ist als all unsere menschliche Vernunft.
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Leser-Kommentare öffnen
Atlantica, 19. September 2017, 13:15 Uhr
Albert Einstein
Wieder ein sehr schöner Artikel von Anke von Legat! Man braucht noch nicht einmal das Unbewusste zu bemühen, - was man aber auch tun kann - um die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens zu begreifen: In der Beschäftigung mit den "99 philosophischen Rätseln" des amerikanischen Philosophen Cohen wurde mir klar, wie exorbitant unvermögend das menschliche Denkvermögen ist und wie schnell man in Aporien gerät!
Ich finde es schön, dass man Gott nicht beweisen kann. Denn nur dadurch wird die Begegnung mit dem lebendigen Gott geheimnisvoll. Sie ist keine "realistische" und damit tödlich langweilige Erkenntnis. - Man darf sich wie ein Kind freuen, staunen, immer wieder, und: man braucht sich nicht zu fürchten!
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Alwite, 19. September 2017, 18:14 Uhr
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang." (Rilke)
Mit: "Der betirnte Himmel, mit seinen abermillionen Galaxien und das moralische Gesetz in mir," drückt Kant kurz und knapp aus, was die Verfasserin umständlich aufdröselt. Ihr zu folgen fällt zwar nicht schwer, damit gültig ÜBERZEUGEN zu wollen, ist nur ganz bedingt geeignet. Im Glauben an Gott gibt es weder RICHTIG noch FALSCH. Gott hat so viele Antlitze, wie es Menschen gibt. Wie der einzelne im Sinne Christus als Vorbild, Gott wahrnimmt und an ihn glaubt, ist es richtig.
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Atlantica, 19. September 2017, 19:59 Uhr
Allerdings finde ich, dass Frau von Legat soziologisch sehr gut die Dialektik der Gottes-Aspekte "Vernunft" und "Herz" herausgearbeitet hat und mit ihrem Argument "Nächstenliebe" auch eine gesellschaftlich verbindliche Perspektive eröffnet.
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Atlantica, 19. September 2017, 19:59 Uhr
Allerdings finde ich, dass Frau von Legat soziologisch sehr gut die Dialektik der Gottes-Aspekte "Vernunft" und "Herz" herausgearbeitet hat und mit ihrem Argument "Nächstenliebe" auch eine gesellschaftlich verbindliche Perspektive eröffnet.
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Alwite, 20. September 2017, 8:31 Uhr
Atlantica, 20. September 2017, 8:57 Uhr
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Glybyrne, 20. September 2017, 14:30 Uhr
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Atlantica, 20. September 2017, 14:55 Uhr
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Glybyrne, 20. September 2017, 18:27 Uhr
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